http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,715702,00.htmlKommunikations-Chaos begünstigte die Katastrophe
Wer hätte auf der Love Parade die für den Notfall vorgesehene Schaltkonferenz einberufen müssen? Die Polizei? Der Veranstalter? Sicher scheint nach Informationen des SPIEGEL nur zu sein, dass diese Sitzung zwischen Polizei, Stadt, Feuerwehr und Veranstalter viel zu spät einberufen wurde - und völlig "chaotisch und undiszipliniert" ablief.
Hamburg - Die erste Konferenz, in der die Behörden mit dem Veranstalter über die fatale Überfüllung des Tunnels und der Eingangsrampe berieten, kam erst um 16.39 Uhr zustande. Noch während des Krisengesprächs (Dauer: 10 Minuten 11 Sekunden) gab es offenbar bereits Schwerverletzte.
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"Da war das Unglück höchstwahrscheinlich nicht mehr zu verhindern", sagte ein Ermittler dem SPIEGEL. Die Schaltkonferenz sei "chaotisch und undiszipliniert" verlaufen; man habe Maßnahmen diskutiert, die kaum noch hilfreich gewesen wären - etwa die Öffnung eines weiteren Ausgangs auf der Nordseite. Der Stabsleiter der Polizei habe schließlich verkündet, dass Beamte gerade dabei seien, die Eingangsschleusen in den Tunnel zu sperren - was um 16.55 Uhr auf der Westseite auch geschah. Allerdings zu spät: Sieben Minuten später erhielt die Polizei per Notruf die Nachricht über erste Todesopfer.
Dabei waren die Probleme am Eingang schon früh bekannt. Der Crowd-Manager des Veranstalters, der die Besucherströme im Tunnel regulieren sollte, hatte nach eigenen Angaben bereits ab 14.30 Uhr versucht, Alarm zu schlagen. Es habe aber "geschätzte 45 Minuten" gedauert, bis der zuständige Abschnittsführer der Polizei vor Ort gewesen sei. Polizei, Stadt und Veranstalter hatten sich laut internem Protokoll darauf verständigt, dass "die Entscheidung über eine (drohende) Überfüllung" und Sperrung des Geländes in speziellen Telefonkonferenzen getroffen werden sollte. Das letzte Wort sollte dabei die Ordnungsbehörde haben.
In Polizeikreisen heißt es indes, es wäre die Pflicht des Veranstalters gewesen, eine solche Schaltkonferenz einzuberufen.
Der Crowd-Manager wusste aber offenbar gar nichts von einer solchen Möglichkeit - und auch die Polizei machte lange keinen Gebrauch davon. Erst zwischen 16.54 und 23.28 Uhr wurde verstärkt konferiert - 13-mal, insgesamt 1 Stunde und 58 Minuten lang. Die Protokolle fehlen jedoch im "Abschlussbericht" der Stadt, die fünf Wochen lang prüfte. "In der Kürze der Zeit" sei es "nicht möglich" gewesen, die "Tonbänder zu protokollieren und auszuwerten".
Zahlreiche Menschen besuchen Loveparade-Gedenktafel
Am Samstag haben viele Menschen in Duisburg den Ort der Love-Parade-Katastrophe aufgesucht: Anlass war das offizielle Ende der Trauerzeit sechs Wochen nach dem Unglück mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten. An einer Mauer am Ort des tödlichen Gedränges wurde am frühen Morgen eine Gedenktafel angebracht. Auf der schlichten Bronzetafel steht geschrieben: "Duisburg gedenkt der Opfer der Loveparade - 24. Juli 2010." Den ganzen Tag lang schlägt ein Künstler im Unglückstunnel eine Trommel.
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Auch Menschen, die bei der Katastrophe schwer verletzt worden waren, besuchten den Ort. Eine 30-Jährige aus Duisburg erzählte: "Ich habe wirklich Glück gehabt. Die haben mich mehr tot als lebendig rausgezogen." Unter ihr sei ein Mädchen gestorben. "Man liegt drauf und kann nichts machen. Ich habe ihr noch zugeredet. Ich konnte in ihre Augen sehen. Und dann sah ich, wie sie starb."
Über ihr hätten sieben oder acht weitere Menschen gelegen. Sie selbst sei wenig später bewusstlos geworden. Sie erlitt schwere Verletzungen an einem Bein und wurde sieben Stunden lang operiert. Der Vater einer 16-jährigen Verletzten sagte, dass seine Tochter wegen der großen psychischen Belastung nach wie vor jede Nacht nur zwei Stunden schlafen würde. Sie sei auch eingekeilt gewesen. Ein junger Mann habe sie dann rausgezogen.
Am Nachmittag wollen Bürger die zahlreichen Trauergaben im Unglückstunnel wie Kerzen, Plüschtiere oder Fotos in einen Kubus mit einer Glasfront legen. Er soll für die nächsten Monate eine Art provisorische Gedenkstätte bilden. Am Sonntag wird die Straße, die seit dem Unglück für Autos gesperrt war, wieder für den Verkehr freigegeben.